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Statement

Die Auswahl der Medien und Materialien in der Kunst kennt keine Grenzen. Die Zwecke des individuellen Ausdrucksvermögens heiligen die Mittel, auch solche, die jenseits der bekannten Konventionen der künstlerischen Jargons liegen.

Im Fall von Michael Spuller, der in einem früheren Leben Plänezeichner, Wirtschaftsberater und Bauverfahrensspezialist gewesen ist, ist das gewählte Medium ein sehr bekanntes Programm zur Erstellung von Tabellenkalkulationen und Diagrammen der Firma Microsoft namens "Excel".

 

Spuller wagt als Künstler mit diesem außergewöhnlichen Medium eine interessante "Entlehnung". In den Sprachwissenschaften bezeichnet man mit dem Begriff der “Entlehnung” die kreative Übernahme von Wörtern oder auch syntaktischen Strukturen von einer Sprache in eine andere zu Diensten des effizienteren Ausdrucks von Ideen, Erfahrungen, Gefühlen uvm. Michael Spuller fordert das Sprachsystem der von Dan Bricklin in den späten 1970er Jahren entworfenen "Spreadsheets" zu einem großen semantischen Sprung heraus. In einem Programm, das die Welt in numerischen Werten ordnen soll, gestaltet der Künstler die unermessliche, en plain air erlebte, fotografierte und so verinnerlichte Alpenlandschaft neu, Zelle für Zelle. 

Die "Spreadsheets" sind, wie der Name schon sagt, unendlich erweiterbar. Sie eignen sich deswegen dafür, die Landschaft unbegrenzt zu imaginieren. Die mit dem Excel-Bleistift gezeichneten Felswände sind zwar künstlerische Darstellung, doch gleichzeitig eine Fülle von verschlüsselten numerischen Codes mit einer virtuellen, in der Zeit der Genese der Zeichnung im Programm verankerten Existenz. Aus dieser neuen Anwendung der Software ergeben sich andere überraschende Mehrwerte. Spullers akribische, ja in einem gewissen Sinne technoide Interpretation der Natur steht in einem interessanten Spannungsfeld mit den freien Variationen, die aus seiner künstlerischen Auseinandersetzung mit der Landschaft im digitalen Raum entstehen können. In ihrer materiellen Ausführung mittels Prints auf Leinwand und Holz berührt uns bei den “Gebirgsaugenblicken” die mikroskopische Gliederung der Felsen im Kontrast zur einfarbigen Reinheit des Himmels.

- Rosanna Dematté, Kunsthistorikerin
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